Martini-Gansl und Haubenküche am Neusiedler See

Text: Flora Jädicke

Das Burgenland hat es in sich. Österreichs jüngstes Bundesland hat nicht nur die meisten Sonnenstunden im Jahr. Es ist auch kulinarisch ganz große Oper. Einige der besten Weine kommen vom Neusiedler See. Und die Küche ist eine Liaison, aus feiner österreichischer Kochkunst und einem Hauch Puszta, der seit ewigen Zeiten über die pannonische Tiefebene weht. Hier an den Ausläufern der Ostalpen genießen die Menschen mit allen Sinnen.

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Ich möchte einfach so dasitzen. Auf den See schauen und den letzten Rufen der Vögel lauschen. Langsam verklingt ihr Krächzen, Fiepen und Gurren, das Kreischen und Schnattern in den Nebelschwaden, in denen allmählich der Schilfgürtel rund um den Neusiedler See im dichten Dunst versinkt. Sein trübes Wasser scheint am Horizont im Grau des Himmels zu verschmelzen.

 

Ein feines Leben

 

Jetzt im Herbst haben Reiher, Störche, Löffler und Gänse ihre Sommerresidenz an Europas größtem Steppensee verlassen. Nur ein paar alte Störche kauern noch auf den Schornsteinen der Häuser, im nahe gelegenen Städtchen Rust. Wenig beachtet. Denn in dieser Zeit „kurz vor Martini am 11. November, schnattern die Gänse des Südburgenlandes am lautesten“ und seien überall im Land zuhören, so glauben viele Einheimisch. Gut möglich, dass Sie ahnen, was ihnen blüht. Von Mörbisch am See über Oggau, Donnerskirchen, und Purbach am See bis Jois werden in den Gasthäusern die Ofenrohre angeheizt und der große Gansl-Schmaus beginnt. Grund ist ihr legendärer Verrat am Heiligen Martin. Der Legende nach wollte das Volk  St. Martin zum Bischof machen. Der Landbursche aber hatte wenig übrig für das Leben im  Bischofspalast und versteckte sich vor dem Episkopat in einem Gänsestall. Das laute Geschnatter der Vögel verriet ihn. Seither landet, sozusagen zur Strafe, eine Gans zu Martini ins Ofenrohr.

„Bis dahin aber haben Sie ein feines Leben“, versichert Gänsehirte Siegfried Marth aus Strem. So fein und zart wie ihr dunkles, fett- und wasserarmes Fleisch. Mit einem wehenden weißen Gewand und treuherzigen Blick, streift er über die Ruster Gansl-Party und macht Werbung für sein Federvieh. Bei Siegfried Marth zupfen die Weidegänse Gras und bekommen zusätzlich hofeigenes Getreidefutter. „Sie laufen 26 Wochen lang auf den Wiesen herum, den ganzen Tag“, sagt er. Nacht schlafen sie in Ställen auf warmem Stroh. „Artgerechter kann man sie nicht halten.“ Ihre Artgenossen aus den Mastbetrieben hocken 12 Wochen im Stall, dann ist es vorbei.

 

Fast 400 Jahre lang haben die Burgenländer Gänse gezüchtet. Das bestätigt das Burgarchiv in Güssing. Auch von den Großeltern kennt Marth die Geschichten über Gänsehirten, die die schnatternden Vögel durchs Dorf trieben. Mit dem Wohlstand verschwanden die kleinen Zuchten. Erst vor wenigen Jahren kamen sie zurück. 19 Biozüchter haben sich zusammengeschlossen. Auf den Wiesen im Südburgenland weiden heute wieder 4000 Gänse.

 

Martini Gans in der Haubenküche

 

Auch heute ist das Martinigansl ein kulinarisches Fest. Der klassische Gänsebraten ist gefüllt und wird traditionell mit Beilagen serviert. Knödel, Rotkraut und Sauce. Längst ist es auch in den Gourmetküchen angekommen. Von Johann Lafer über Alfons Schuhbeck bis Alain Weissgerber vom Chateaux & Relais Hotel Taubenkobel oder Max Stiegl.

Gut Purbach

Max Stiegl, Küchenchef im Gut Purbach am Neusiedler See macht aus dem Wappentier des Burgenlandes ganz besondere Genüsse. In seiner Küche vereinen sich französische Elemente mit burgenländischer Tradition. Eine Mischung, der ich  nur schwer widerstehen kann. Und weil er gerne experimentiert und mit Fantasie kocht, gibt es die Gans auch mal von der Dönerstange oder mit einer leichten asiatischen Note. Gänseleberpastete, die auf der Zunge so zart zergeht wie die flüchtige Erinnerung an einen großen Duft oder Gans-Kokossuppe.

 

Widerstehen kann ich auch nicht dem herrlich unaufgeregten Ambiente in seinem Restaurant. Pannonische Gemütlichkeit und stylische Accessoires vereinigen hier elegant Tradition und frisch und junge Akzente. Der Sevice ist so still und präzise wie angenehm. Max Stiegl gehört zu den jungen, spannenden Köchen im Burgenland, die ich unbedingt empfehlen kann.

Purbacher Weinkeller

Aber das Burgenland hätte es nicht in sich, wäre er der einzige, der die pannonische Küche jung und frisch interpretiert. In der Weinkantine und Greißlerei Dió in Mörbisch am See serviert die Familie Sommer neben exzellenten Weinen aus dem eigenen Weinberg auch erlesene hausgemachte Pesti, Pasteten, Traubensaft, Tresterbrand oder frische Wallnüsse. In der Casa peiso, gleich neben der Greißlerei wohnt man original pannonisch in zweistöckigen Suiten, die so schöne Namen tragen wie Storchenblick. Zu den kulinarischen Schätzen des Burgenlandes gehört ganz ohne Zweifel die Greißlerei Taubenkobel und das Relais & Chateaux Taubenkobel in Schützen. Der Taubenkobel gehört mit seinen 18 Gault Millau Punkten zu den besten Restaurants Österreichs. Barbara Eselböck hantiert hinter in der gemütlichen Greißlerei, die bis unter die Decke voll ist mit regionalen Köstlichkeiten, mit dem neuen Wein vom familieneigene Gut Oggau und serviert köstlichen Speck vom Mangalitza Wollschwein.

 

Vom „Staubingen“ zum „Heurigen“

 

Im November schmoren nämlich nicht nur die Gänse in den Bratröhren. Es ist auch der Monat der Weinbauern. Zu Martini zogen sie einst von Ort zu Ort und verkosteten in den Kellern und auf den Weingütern den neuen Wein. Zu Martini wird aus dem „Staubigen“ der „Heurige“. Mit einer feierlichen Weintaufe geben die Winzer seit jeher den neuen Wein so zur Verkostung frei. Und erst jetzt darf mit ihm angestoßen und gefeiert werden. „Prost!“

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Und auch heute gehen die Burgenländer Winzer dieser Tradition noch gerne nach. Entlang der Kellergasse in Purbach genieße ich burgenländische Winzerromantik in den alten urigen Kellern. Anschließend gönne ich mir, im „Haus am Kellerplatz“,  in einer der modernsten Vinotheken Österreichs das ein oder andere Glas. Hier gibt es beinahe jeden Wein, der in den weitläufigen Weingärten rund um den Neusiedler See wächst.

 

Ich möchte einfach nur verweilen, schmecken und staunen, über die kulinarische Vielfalt und beeindruckende Natur der weitläufigen Steppenlandschaft, am Rande des Leithagebirges. Bei hervorragenden Weinen wie dem Blaufränkischen, Grünem Veltliner und Weißburgunder, mit fruchtigen-mineralischen Noten,

Photos von Rita Newman, Flora Jädicke

Informationen gibt es unter:

Kulinarik-Festival „Gans Burgenland“: Von Ende September bis in den Dezember dreht sich im Burgenland alles um die Gans. Mehr als 30 Veranstaltungen stellen die Gans in den Mittelpunkt. Mit dem Festival wollen Gastronomen, Hoteliers, Produzenten regionaler Spezialitäten und Kulturinstitutionen die Gänsetradition im Burgenland neu beleben.

 

Informationen zu allen Veranstaltungen und zur Burgenland Card unter:

Burgenland,

Taubenkobel

Gutpurbach

Casapeiso

Pannonisch-Wohnen