Champagner boomt, seit Jahren, weltweit.

Man kann es auf die Formel von Coco Chanel bringen, die meinte, dass sie Champagner brauche, wenn sie verliebt sei. Und wenn nicht, dann erst recht.  Zur Freudenfeier wie zur Trauertröstung taugt das traditionell hellgoldene Perlgetränk aus den bauchig schweren Flaschen allemal. Und mit der Liebe, mit dem Erotischen hängt der Erfolg des Schampus ohnehin zusammen.

Krug Champagner

Champagner, schon der Name hat einen lockenden Klang. Und die Symbolik nutzten vor allem die Damen der französischen Gesellschaft ab Ende des 17. Jahrhunderts, den weiblichen Gästen war es vorbehalten, bei galanten Diners die Schnüre am Flaschenhals zu öffnen – was häufig schon den Korken zum Springen und den Inhalt zum Spritzen brachte.

Voller Vorlust sang Mozarts Don Giovanni seine „Champagnerarie“, und Casanova und seine Nacheiferer haben das kalte Nass zum heißen Herzen auch aus den Pumps und High Heels ihrer Geliebten getrunken. Als symbolische Steigerung darf dann höchstens das filmreife Bad in Champagner gelten. Eine derart moussierende Massage, die nicht nur der Schaumgeburt einer Hollywoodvenus dient, birgt in der Realität freilich die Gefahr einer so teuren wie auch tödlichen Dosis alkoholischer Dämpfe. Weshalb erfahrene Wellnässer als Badezusatz nicht mehr als eine Magnumflasche empfehlen.

Jaques Lassaigne Champagner

Champagner regt nicht nur unsere Sinne an, die Geschmacksknospen, Geruchsnerven, Augenreize und Schwellkörper, er verführt die Sinne.

Es bedarf schon einer feinen  Zunge, die sich dann, wenn’s im Geist und Gaumen sprudelt, allerlei Vergleiche einbildet und je nach Schampus den Geruch oder Geschmack von Vanille und Karamell, von Pfirsichblüten, Honig und Zimt, Aprikosen, Johannisbeeren und Zitrusfrüchten beschwört. Geht auch kaum anders, weil man über Geschmack viel leichter streiten als präzise schreiben kann.

Champagner Perrier Jouet

Obwohl tausenderlei verschiedene Champagnerabfüllungen existieren, sind fast alle nur Mischungen der drei klassischen Champagnertrauben Pinot Noir (Spätburgunder), Pinot Meunier (Schwarzriesling), beides rote Reben, sowie der weißen Chardonnaytraube. Reine Chardonnays ergeben den sehr hellen, fruchtigeren Blanc de Blanc, eine noch größere Ausnahme sind die roten und zunehmend beliebten Rosé-Champagner. Der Esprit des Champagners, liegt freilich im je unterschiedlichen, von großen Champagneurs oft intuitiv ersonnenen Mischungsverhältnis der handverlesenen Trauben erster Pressung, dem je unterschiedlichen Verschnitt der gegorenen Grundweine eines Jahrgangs und der Zusätze von hauseigenen Reserven aus älteren Jahrgängen.

Sehr ausgetüftelt ist dann die zweite, mindestens einjährige Flaschengärung auf der Hefe, anschließend das heute fast durchweg mechanische, ursprünglich aber von Hand ausgeführte mehrwöchige Rütteln, Drehen und langsame Kopfstellen der Flaschen und später das Dégorgement. So nennt sich das Abschlämmen des zuvor vereisten Hefepfropfens im Kopf der Flaschen, die erst dann nach dem Zusatz einer das markeneigene Geschmacks-Cuvée bestimmenden Dosage (aus Süßweinstoffen) endgültig verkorkt werden.

Dom Pérignon, der dem in Reims (wie alle französischen Könige seit dem 5. Jahrhundert) gekrönten Champagnerliebhaber Ludwig XIV. zu Diensten war, bot bis zu seinem Tod 1715 all seine Kelterkünste auf, um dem Champagner eben seine Perlen, das stark Moussierende, auszutreiben. Ohne Erfolg. Dass er die sprudelnde „Perlage“ im Wein erfunden und dabei ausgerufen habe, „Ich trinke Sterne!“, ist Legende. Der große Dom hatte das rätselhafte Moussieren, das schon bei seinen Grundweinen im Fass begann, nur mittels der zweiten Gärung in der Flasche besser unter Kontrolle gebracht.

Als jedoch im 18. Jahrhundert die hitzige Kohlensäure im stark gekühlten Wein immer beliebter wurde, beauftragte Friedrich der Große, der ohnehin alles Französische schätzte, die Berliner Akademie der Wissenschaften herauszufinden, wie genau der Sprudel in den Schampus komme. Weil sich die Professores von ihren preußischen Gehältern jedoch das Untersuchungsmaterial nicht leisten konnten, erbaten sie sich vom König 40 Flaschen aus dessen Keller. Worauf der sparsame Friedrich beschloss, seinen Schampus doch lieber selber zu trinken.

Die Studie hätte wohl sowieso nichts erbracht, da erst Louis Pasteur ein Jahrhundert später die Funktionen des in der Champagne offenbar besonders virulenten Hefepilzes und die mikrobiologischen Ursachen der Alkoholgärung und Schaumweinproduktion entdeckte. Größte Verdienste jedoch um unseren heutigen Genuss hat auch Nicole-Barbe Clicquot (1777–1866), jene Veuve Clicquot, die berühmteste der vielen lustigen, langlebigen und geschäftstüchtigen Champagnerhaus-Witwen. Mit ihrem Kellermeister Müller – wie die Champagnerwinzer Krug, Mumm, Deutz und manch andere ein deutscher Einwanderer – entwickelte Madame Clicquot vor 150 Jahren die eigentliche „méthode champenoise“: das Rütteln und Drehen der in der Flasche gärenden Weine und dazu auch das bis heute übliche Verdrahten der Korken.

Kurz nach Clicquots Tod stellte ihre Kollegin Louise Bollinger im Jahr 1874 den ersten wirklich trockenen, klar perlenden Champagner her.

Denn Genuss und also auch unser Geschmack beruhen nicht bloß auf rationalen Kriterien. Schon zu wissen, dass man Champagner trinkt, versetzt fast jeden in eine besondere Stimmung. Und die wiederum hängt ab vom Ambiente, den Mittrinkern, der eigenen Laune und dem Anlass oder auch Essen. Als Aperitif, zu Austern und überhaupt zu allen delikaten, nicht zu schweren Vor- und Nachspeisen ist ein Champagner kaum zu übertreffen. Doch schmeckt kein Champagner immer gleich.

Prost.