Seidenstraße – die legendäre Karawenroute klingt wunderbar, wohl auch deshalb hat China ihr Investitionsprogramm „Neue Seidenstraße“ genannt: Ungezählte Milliarden will man in die eigene und die Infrastruktur von 65 anderen Ländern stecken, in Straßen, Eisenbahnen und Energieprojekte. Die Volksrepublik will das machtpolitische Gefüge der Welt verschieben. Staaten, die am Großprojekt teilhaben möchten, werden in die Abhängigkeit der Geber geraten. Dennoch machen viele mit, die dringend Geld und Know-how brauchen. Bei der früheren Seidenstraße war das anders. Auch die bestand aus einem riesigen Straßennetz, das auf fast 10.000 Kilometern zwei Kontinente überzog. Doch die Gewinne aus dem Handel waren etwas gerechter verteilt. Die meisten reisten in Etappen. Sie verkauften ihre Waren in einer Stadt entlang des Wegs, die Kaufleute dort stellten neue Karawanen zusammen, und so ging es weiter. Die Chinesen waren nur ein Teil von ihr; die Früchte ihrer Arbeit blieben den beteiligten Staaten erhalten. Dabei waren die Gewinne gewaltig: Bis ein Seidenstoff Europa erreichte, konnten acht Jahre vergehen
Was am Ursprungsort in heutige Währung umgerechnet einen Euro kostete, war in Rom hunderte Euro wert. Wo sich die Warenströme aus Nord und Süd, aus Ost und West trafen wie in den heute zu Usbekistan gehörenden Städten Chiwa, Samarkand oder Buchara, wurden Händler und Herrscher sehr reich.
Nirgendwo werden der Mythos Seidenstraße und die Geschichte usbekisch-mongolischer Herrscher greif- und begreifbarer als in Usbekistan . Der grausame Eroberer Timur, heute usbekische Identifikationsfigur und Nationalheld, bereicherte sich überall, für die Bauwerke schleppten unzählige Elefanten Marmor aus Indien herbei
Von Zerstörungen durch Krieg und Naturgewalten blieben die Städte nicht verschont. In der kommunistischen Ära wurde Usbekistan zum Satellitenstaat, der vor allem Baumwolle anzubauen hatte. Den Sowjets verdankt das Land Monokulturen und langsam versiegende Seen und Flüsse, aber auch den Anschluss an die Moderne: Flughäfen und Eisenbahnen, die auf der Schnellstrecke von Chiwa nach Taschkent mit bis zu 240 km/h über die Gleise düsen.Es waren auch sowjetische Archäologen, die ab den 50er-Jahren aus den Ruinen Usbekistans in aufwendiger Arbeit wieder historische Schmuckstücke machten.
Inzwischen sind Reisen entlang der usbekischen Seidenstraße relativ unkompliziert und komfortabel. Noch gibt es die hässlichen Hotelplattenbauten aus der Sowjetzeit. Doch immer mehr dieser Häuser werden durch hübsche, landestypische Gästehäuser und Boutique-Hotels ersetzt. Staatspräsident Shavkat Mirziyoyev, seit 2016 im Amt, will das ändern. Viele seiner Landsleute setzen große Erwartungen in seinen Reformwillen. Sie hoffen auf mehrgerliche Freiheiten, eine unabhängige Justiz und Presse. Usbekistan, so versichern fast alle Gesprächspartner in der Hauptstadt Taschkent, mache Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie.
Die Machtstrukturen des autoritären Dauerherrschers Islom Karimows sind nicht leicht aufzubrechen, Eigentumsrechte an Grund und Boden ungeklärt. Monokulturen und Wassermangel machen dem Agrarsektor zu schaffen, die von der Karimow-Familie ausgebeutete Wirtschaft kommt nur langsam auf die Beine. Vom noch bescheidenen Wachstum von Industrie, Bauwirtschaft und Dienstleistungssektor schnappen sich alte Politkader und neureiche Wendegewinner derzeit die größten Happen, beim Volk kommt nicht viel an.
Ein wichtiges Standbein der Wirtschaft soll der Tourismus werden. Anfang des Jahres hat Staatspräsident Mirziyoyev die Visapflicht für EU-Bürger abgeschafft und großzügige Steuererleichterungen für Investitionen in die touristische Infrastruktur verkündet. Die Besucherzahlen gehen nach oben.
Man erwartet für den usbekischen Reisemarkt 30 Prozent Wachstum in diesem und im nächsten Jahr.
Und natürlich ist Usbekistan auch beim Projekt neue Seidenstraße dabei. Mit chinesischem Geld werden Straßen gebaut und Kulturstätten restauriert.
Stay tuned.
Photo: Yvonne Beck