Die Côte d’Azur wird die azurblaue Küste genannt.

Sie beschreibt den Teil der Mittelmeerküste von Cassis bis zur italienischen Grenze, einschließlich St. Tropez, Cannes, Antibes, Nizza und Monaco.

Kaum ein anderer Küstenstreifen hat so viele Menschen aus Politik, Literatur, Kunst, Mode, Musik und Film angezogen.

Im Licht der Côte d’Azur strahlt das Seidene, also die Kunst, das Schöne und Bewundernswerte.

Noch Anfang des 20. Jahrhunderts galt es als völlig unschick, hedonistisch unter der strahlend heißen Sonne der Côte d’Azur zu bräunen.

Die Pariser Bourgeoisie bevorzugte im Sommer die französische Atlantikküste, schöne Hotels gab es dort auch.

Dort war es zwar nicht selten windig, und kälter, aber man lief nicht Gefahr, seine elegante Blässe zu verlieren.

An die Côte d’Azur fuhr man im Winter und spielte Tennis oder ging ins Casino mit den russischen und englischen Aristokrat:innen, die hierher vor der Kälte geflüchtet waren.

Das änderte nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er-Jahren.

Hier entdeckte man dann azurfarbenes Wasser, Pinienhaine und das unendliche Blau des Himmels.

Man lud die Pariser Freund:innen ein, etwa Pablo Picasso, Dorothy Parker, Gertrude Stein, Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald.

Die Sommersaison an der Côte d’Azur und das Lebenskonzept vom Hedonismus ward erfunden.

Endlich!

Etwa zur gleichen Zeit schipperte „Coco“ Chanel auf der Yacht ihres Liebhabers, dem Herzog von Westminster, die Côte d’Azur entlang.

Braun gebrannt kehrte sie nach Paris zurück und löste damit eine Moderevolution der Upperclass aus.

Plötzlich galt gebräunte Haut als Inbegriff von Glanz, was man zuvor als ordinär oder gewöhnlich verbuchte, verband man sie doch mit dem Landvolk und Menschen, die in der Sonne harte Arbeit verrichten mussten.

Die Matrosen und Fischer, denen Chanel begegnet war, inspirierten sie dazu, den Sommer Look zu kreieren: weite Hosen und gestreifte Hemden.

Das, was vorher als durchschnittlich, für manche vielleicht sogar als vulgär empfunden wurde, galt plötzlich als elegant.

Heute noch verkörpert dies den klassischen Riviera-Look und steht für zeitlose Eleganz.

Dass auch Modeschmuck und künstliche Perlen elegant sein können, ist Coco Chanel zu verdanken.

Sie erklärte, dass Schmuck eine Frau schmücken sollte, anstatt zu demonstrieren, wie vermögend sie sei.

Bei ihrer Vorliebe für Schmuck war Chanel übrigens möglicherweise von Sara Murphy inspiriert, die ihre Perlenketten auch tagsüber am Strand La Garoupe am Cap d’Antibes trug, weil sie überzeugt war, dass das Côte-d’Azur-Licht diesen noch stärkeren Glanz verleihen würde.

Heute befindet sich an selbigem Strand das legendäre Strandlokal „Keller Plage“.

Während draußen die Rolls-Royce-, Bentley- und Maserati-Limousinen auf dem Parkplatz zu finden sind, drängen sich auf den dicht an dicht gestellten Liegestühlen all die, die einen Strandbesuch als gesellschaftliches Ereignis betrachten.

Auf den Tischen türmen sich die Meeresfrüchte-Etageren, und der Roséwein fließt.

Die Männer tragen Bermudashorts und Borsalinos.

Es gibt eine weitere Form des Statussymbols: chirurgisch modellierte Gesichter.

Die Ästhetik der großen Lippen, großen Augen, hohen Wangenknochen ist hier allgegenwärtig.

Modetechnisch gehört dazu bei den Frauen noch das obligatorische Designer:innen-Hippiekleid mit Strohhut und Sonnenbrille dazu.

Biensure.

Es ist der Look des globalen Luxustourismus.

Golf spielt man trotzdem noch.

Auch die Beispiele der plastischen Chirurgie, die man am Strand La Garoupe oder anderswo an der Côte d’Azur vorfindet, haben oftmals etwas Exzessives.

Aber genau darin liegt der Spaß, exakt das macht das Ganze so unterhaltsam.

Denn perfekte Zurückhaltung und Kontrolliertheit wirken eben sehr schnell sehr langweilig.

Modezaren greifen immer wieder gern in die Kiste des vermeintlich Verbotenen, also der Stilelemente, die als zu billig, zu groß, zu verschnörkelt, zu auffällig gelten und dadurch eben als peinlich oder vulgär wahrgenommen werden.

Durch den Kontrast zu klassischer Eleganz entsteht etwas Neues – etwas, was unsere Aufmerksamkeit weckt, unsere Sinne kitzelt und uns die Tatsache genießen lässt, dass wir am Leben sind.

Die Côte d’Azur verkörpert dieses Wechselspiel im Reinformat. An ihren Strandpromenaden findet sich genau die interessante Mischung aus Lässigkeit in Form von Leinenhosen und überteuerten Kaschmirpullovern auf der einen und Bling, tosenden Sportwagen und Markenlogos auf der anderen Seite.

An der Côte d’Azur findet man genau die Mischung aus Luxury in Form von Understatement, Frivolität und Leinenhosen, auf der einen und Bling und Markenlogos auf der anderen Seite.

Eleganz und Kitsch leben hier -wie in der gesamten, neuen Welt – eng beieinander.

Die atemberaubenden Aussichten, die wunderbaren Kunstbeispiele der klassischen Moderne und all die Geschichten und Überbleibsel von Literat:innen wie F. Scott Fitzgerald, Françoise Sagan, James Baldwin, Aldous Huxley bestehen hier ebenso wie Superyachten und andere Auswüchse des exzessiven Blings.

Diese Gegensätze können unter dem alles überstrahlenden Horizont scheinbar mühelos nebeneinander existieren.

La vie est belle.