Schlaflos in Tel Aviv

Von Jens Hoffmann

Ankunft Ben Gurion Airport, 28 Grad.

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Wenn es in Berlin kalt ist, blühen in Israel viele Pflanzen und Blumen. Offiziell wohnen nur eine halbe Millionen Menschen in der Stadt, die modäne Metropole wirkt aber viel grösser und mit den umliegenden Vierteln rechnet sie sich auf 3 Millionen Einwohner hoch.

In Tel Aviv spielt sich alles am Strand ab, man trifft sich an der Beachpromenade, zum Flanieren, Volleyballspielen und sogar zum öffentlichen Tanzen am Wochenende. Hier stürzen sich die Touristen und Israelis auch im November ins Mittelmeer, genau wie im Sommer bei hohen Wellen.

Wenn die Sonne untergeht, beginnt die Party, die Menschen leben draussen wie in asiatischen oder südlichen Metropolen, sie genießen die Menschen das Leben und feiern gern.

Tel Aviv steht für Zerstreuung und Lebenslust, für unpolitischen Hedonismus. Man trifft seine Bewohner eher am Strand als in der Synagoge, und Fragen der Mode sind den meisten wichtiger als die Auslegung der Thora. Womöglich ist genau das der Grund, warum Tel Aviv bei Europäern eine solche Trendstadt geworden ist. Vor ein paar Jahren kamen die meisten Touristen mit organisierten Gruppenreisen nach Tel Aviv. Heute sind es nur noch 20 Prozent. Die Sicherheitslage in Israel schreckt die oft ältere Klientel der Kulturreisenden ab. Heute zieht es  junge Individualreisende in die Mittelmeerstadt, die Generation Billigflieger, die private Apartments auf Airbnb so selbstverständlich bucht wie Hotelzimmer und stets auf der Suche ist – nach den neusten hippen Cafés und Bars.

TDie Menschen feiern das Leben, obwohl sie das Chaos umgibt. Eine Haltung, an die man sich in Europa vielleicht erst noch gewöhnen muss. In Jerusalem wird gebetet, in Haifa gearbeitet und in Tel Aviv gelebt. Stimmt vollkommen und ist noch nicht einmal ein polemischer Allgemeinplatz. Der Blick von der 18. Etage des Herods Hotels Tel Aviv gewährt mir einen fantastischen Blick auf ein blaues beruhigendes Meer und die Skyline der Stadt. Das wunderschöne Herods thront direkt am Strand und unten sonnen sich Touristen und Israelis in der Novembersonne. In Tel Aviv geniesst man jeden Tag, ohne zurück oder nach vorn zu schauen. Es kommt wie es kommt, man tanzt öffentlich mit jedem der möchte und ist fröhlich. Die Stadt ist angekommen, es ist eine vibrirende Metropole sein. Normal in Tel Aviv ist, dass die Menschen auf der Wiese im Hayarkon-Park liegen, Beachvolleyball spielen, Skateboard fahren und dass man fast rund um die Uhr ausgeht, eine Klagemauer sucht man hier vergebens. Diese befindet sich wonaders, hier findet man schöne, modernisierte Designbauten und auch das Wohnhaus des Staatsgründers David Ben-Gurion. Architekturfreunde kommen auf ihre Kosten, die weiße Stadt hat unzählige Gebäude im Bauhausstil. Nicht umsonst ist Tel Aviv seit 2003 Weltkulturerbe und bietet mehr als den legendären Carmel-Markt. Aber auch dieser ist ein bunter Ort, an dem man alles findet, gefakte Sportsachen von Adidas, Gebetsglocken, Elektrowaren, Datteln, Avocados, Nektarinen und Trauben in allen Variationen. Hier gehen alle Menschen hin und freuen sich, dass alles nur die Hälfte kostet. Tel Avivs Charme ist das Unvollendete, in den Jahren nach der Staatsgründung Die Nachfrage nach Wohnraum in Tel Aviv ist so groß, dass Mieten und Kaufpreise das Niveau des großen Bruders in Manhattan erreicht haben.

Tel Aviv und Jaffa, beide Orte wuchsen zusammen, und somit ist Stadt quasi alt und jung zugleich. Alt, weil Jaffa im Süden eine der ältesten Siedlungen des Nahen Ostens ist. Neu, weil das eigentliche Tel Aviv erst 1909 gegründet wurde. Damals gehörte Palästina zum Osmanischen Reich. Erst am 14. Mai 1948 – nach zwei Weltkriegen, britischer Mandatsherrschaft und dem Holocaust – rief der spätere Premierminister David Ben-Gurion den Staat Israel aus.. Unten am Hafen in Old-Jaffa, wo im 18. Jahrhundert die ersten Pilger im Heiligen Land von Bord gingen, sitzen die Menschen draußen. Noch geschäftiger geht es aber jenseits der Stadtmauern zu, etwa auf dem stadtbekannten Flohmarkt. In den umliegenden Gassen haben arabische Antiquitätenhändler genauso ihre Geschäfte wie die aufstrebende Fashionszene der Stadt. In Jaffa gibt es kleine feine Boutiquen und konventionelle Mode.

Viele Menschen wohnen in Jaffa, dem arabischen Viertel, das mittlerweile ein eigener Meltingpoint geworden ist. Jaffa ist der neue Süden von Tel Aviv, hier wohnen die Kreativen, Startupler und Künstler und das nicht nur, weil sie sich die Mieten im Zentrum nicht mehr leisten können.

Auch in Jaffa werden Apartmentanlagen mit Swimmingpools auf den Dachterrassen gebaut und es ist schick, im alten Jaffa essen zu gehen.

In den Restos hängt Kunst aus der ganzen Welt. Wir haben in dem trendigen Restaurant Fleamarket gegessen. Loftcharakter, ausrangierte Turngeräte, offene Küche und hervorragende Fischgerichte, es gab Sashimi, Seabass und schönen Weisswein. Perfekt – danach ging es noch in eine Bar auf dem gleichnamigen Boulevard.

Später liefen wir nach Hause ins Hotel, dies dauerte etwas länger, es war aber ein fantastischer Nachtspaziergang.

Wir wohnten im Herds. Den Style des Herods Tel Aviv, den Blick auf die Skyline und den Beach von Tel Aviv werde ich nicht so schnell vergessen.

Ich komme bestimmt wieder.