Ein kulinarischer Spaziergang durch die Ewige Stadt
Rom gehört nicht nur wegen der Kultur auf die vielzitierte Bucketlist.
Wir kreuzen den Circus Maximus und begeben uns nach Testaccio, mein Lieblingsviertel in der Ewigen Stadt.
In Testaccio herrscht eine andere Atmosphäre als im Centro.
Nonnas beobachten das Treiben auf der Piazza, wo Kinder einem Ball hinterherjagen, und elegante ältere Herren diskutieren.
Testaccio ist das kulinarische Zentrum Roms. Trattorias, Pasticcerias und Salumerias reihen sich in von Alleen gesäumten Straßen aneinander.
Kulinarisches Glück
In der Antike legten in Testaccio Schiffe mit Olivenöl an. Flaschen gab es nicht.
Also warf man beschädigte Amphoren auf einen Haufen neben dem Tiber.
Daraus entstand über die Jahrhunderte der Monte Testaccio und der Name Viertels („testa“, lat. für Scherbe). Die Gegenwart Testaccios wird durch den mittlerweile geschlossenen Schlachthof definiert, dessen Reste das Herzstück der römischen Küche bilden. A
ls Quinto Quarto (Fünftes Viertel) werden Innereien und die weniger noblen Stücke eines Tieres bezeichnet. Die edelsten Teile gingen an den Adel und Klerus. Den Arbeitern blieb der Rest. Aus der Not machten sie eine Tugend – und schufen kulinarische Glücksmomente.
Zwischen Schlachthof und Scherbenhügel unter einem prächtigen Kastanienbaum im Schanigarten von Checchino dal 1884 findet man das perfekte Lunch.
Einst war dies ein Weinkeller, der in den Monte Testaccio gegraben wurde, um die Arbeiter des gegenüberliegenden Schlachthofs zu versorgen. Heute ist es ein gutbürgerliches Wirtshaus im besten Sinne. Die Tische sind mit weißen Tischdecken bespannt, die Teller mit Ornamenten verziert. Der Ober trägt Frack und serviert auf einem Gueridon.
Das Menü eröffnen Carciofi alla romana: Artischocken mariniert in Olivenöl, wilder Minze und Zitrone. Bitter und adstringierend wie ein Negroni, werden die Sinne für den Kanon römischer Pasta geschärft: Amatriciana, Cacio e Pepe, Carbonara und Gricia! Deren wichtigste Elemente sind Guanciale (Wangenspeck), Pecorino und Pfeffer. In Bucatini alla Gricia kommen sie in der puristischsten Form zur Geltung. Aus Kohlehydraten und Fett entsteht ein Glücksmoment.
In den Secondi spielen Innereien die Hauptrolle. Wir verlassen uns auf eine Empfehlung des Kellners und bestellen „Pajata per tutti“. Schaut aus wie Würstel, ist aber der Darm eines Milchkalbs, der mit seinem unverdauten Inhalt in einer Tomatensauce gekocht wird. When in Rome, dann Innereien auf ganz arg. Die Konsistenz der Pajata erinnert an Ricotta. Der Geschmack ist leicht lebrig mit einer grasigen Note. Der säuerliche Abgang erinnert an Buttermilch und wird vom herzhaft einreduzierten Tomatensugo konterkariert. Ein rundes, elegantes Gericht! Die Pajata illustriert, dass es auch beim Essen auf die inneren Werte ankommt.
Bei Checchino besinnt man sich auf Gerichte, die simpel, aber nie banal wirken.
Mamas Küche.
„Wir kochen saisonal und mit modernen Techniken die Gerichte unserer Nonnas“, erklärt Souschef Mattia Bazzuri die Küchenlinie im Santo Palato. Dieses Juwel von einer zeitgenössischen Trattoria versteckt sich in einer unscheinbaren Wohngegend. Das Ambiente ist schlicht, aber gemütlich. Es braucht nur wenige Tische, eine Tafel mit den Gerichten des Tages und geschmackvolles Retrodekor. Nichts wirkt hier überflüssig, der Fokus liegt auf der Schank und der halboffenen Küche.
Das junge Team wurde in Sternelokalen ausgebildet und übersetzt die Cucina romana behutsam in die Gegenwart. Ochsenherz wird als Carpaccio mit Olivenöl und Meersalz drapiert. Innereien, so zart und fein wie Thunfisch-Sashimi. Wir bleiben im Quinto Quarto und erhalten als deftige Antithese Polpette di Coda alla Vaccinara: Geschmorter Ochsenschwanz mit dunkler Schokolade wird zu einer tennisballgroßen Kugel geformt, frittiert und auf Pesto aus Erdnüssen und Liebstöckel gebettet.
Das Lieblingsgericht von Marcello.
Viele Römer kommen jedoch wegen der Carbonara hierher, die bei Santo Palato perfektioniert wird. Rigatoni werden mit Guanciale, Pecorino und Eiern zu einer sämigen Komposition in sattem Gelbton.
„Pro Portion ein Ei und Dotter von freilaufenden Hühnern, die mit Mais gefüttert werden“, verrät der Koch.
Fazit: Unbedingt ausprobieren.