8 Bib Michelins, 10 Restaurants mit einem Stern dekoriert, 4 Restaurants mit 2-Sternen und einen drei Sterner. Darüber hinaus hat sich diese Stadt in den vergangenen Jahren zu einem kulinarischen Mekka Europas entwickelt. Einige der weltbekanntesten Restaurants sind hier ansässig und die Nordic Cuisine hat auch hier in Deutschland die Küchen gekapert – Interview mit Anders Selmer aus dem Restaurant Kødbyens Fiskebar.

Während in ganz Europa und so auch in Dänemark die Corona-Pandemie noch das täglich bestimmende Thema ist, haben wir uns auf den Weg in die dänische Hauptstadt gemacht, um einmal vor Ort die Situation in der Gastronomie zu begutachten. Auch hier waren seit Mitte März die Restaurants geschlossen und dürfen seit 18. Mai unter strengen Auflagen wieder öffnen.

Viele Gastronomen in Deutschland fühlen sich mit den Konsequenzen die die Pandemie mit sich bringt allein gelassen. Die Einmalzahlungen sind für viele Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das ToGo Geschäft oder Food-Boxes konnten die Umsatzausfälle nicht annährend kompensieren und wie sich die Situation langfristig nach dem Re-Opening unter Auflagen entwickelt, können viele noch nicht absehen.

Doch wie ist die Situation in Dänemark und welchen Support haben die Gastronomen während der Schließung erfahren. Dazu haben wir Interviews mit zwei Gastronomen geführt.

In diesem ersten Teil haben wir mit Anders Selmer gesprochen. Anders führt das Restaurant Kødbyens Fiskebar schon seit 2009 und hat es damals mitgegründet. Seitdem ist es ein Dauerbrenner in der Gastroszene Kopenhagens. Er kommt selbst aus der Gastronomie und hatte bevor er das Fiskebaren eröffnet hat, einige namenhaften Stationen hinter sich. Die letzte und wohl bekannteste vor der Eröffnung war das NOMA. Hier war er als Restaurant-Manager und Sommelier tätig. In unserem Gespräch ging es aber nicht ausschließlich um die Auswirkungen der Corona-Pandemie sondern auch noch um einige andere Themen, wie zum Beispiel die Personalsituation oder worin das Geheimnis des Erfolgs liegt, ein Restaurant über so eine lange Zeit erfolgreich zu führen.  

Anders, wie geht es dir und deinem Team? Sind alle bei Euch gesund durch den Lockdown gekommen? 

Wir hatten Glück, bei uns hat sich niemand angesteckt und alle sind unbeschadet und gesund durch die Zeit gekommen. Auch ich persönlich konnte diese Wochen nutzen und hatte ausreichend Zeit, um diese gemeinsam mit meinen Kindern zu verbringen.

In wiefern ist es für Dich schon abzusehen, wie und ob die Pandemie deinem Unternehmen geschadet hat? 

Für den Moment können wir das noch nicht absehen, da spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Wir mussten das Restaurant ganz schließen. Am Anfang haben wir es noch mit dem To-Go Geschäft versucht, um jedoch einen Anspruch auf die staatlichen Zuwendungen zu haben, wurde vorausgesetzt, dass man zu 100% schließt. Das hat uns jedoch geholfen, denn wir mussten so keinem unserer Mitarbeiter kündigen. Die staatliche Unterstützung fällt bei uns sehr gut aus. Was mir allerdings Sorgen bereitet ist, wie es jetzt nach dem Lockdown weitergeht. Wir haben in der Zeit zwischen Juni und August ca. 4 Millionen Touristen im Land, diese fallen bislang weg und bei nur 1 Millionen Menschen die in Kopenhagen leben, werden viele Tische leer bleiben und wir werden immense Umsatzeinbußen verkraften müssen.

Wie genau sieht diese Unterstützung aus? In Deutschland erhält man eine Einmalzahlung von 15.000 Euro und die Angestellten erhalten Kurzarbeitergeld, welches oft gerade einmal die monatlichen Fixkosten deckt. 

Das ist in Dänemark anders. Unsere Angestellten erhalten 75% ihres letzten Nettolohns vom Staat. Glücklicherweise sind wir als Restaurant in der Lage, den Ausfall der verbleibenden 25% aus eigener Tasche zu zahlen, so dass niemand einen Verlust hat – abgesehen vom fehlenden Trinkgeld natürlich.

Auch dem Unternehmen wurde ordentlich unter die Arme gegriffen. So werden hier nach Ermessen 60% bis 90% der laufenden Kosten vom Staat übernommen. Zudem stand am Anfang des Lockdowns die Quartalszahlung von 25% Einkommenssteuer an, die allen von uns erlassen wurde. Damit können wir gut leben und auch der Fakt, dass durch diese Maßnahmen kein To-Go Geschäft oder keine Food-Boxes erlaubt waren, lässt sich so besser verkraften, da wir damit nie auf das Niveau der Zuschüsse gekommen wären.

Was habt Ihr gemacht, um diese Phase sinnvoll zu überbrücken? 

Da alle gezwungen waren zu Hause zu bleiben, waren uns ein wenig die Hände gebunden. Wer noch die Möglichkeit hatte etwas im Laden zu tun, waren unsere studentischen Hilfskräfte. Gemeinsam mit ihnen haben wir eine Art Frühjahrsputz durchgeführt und wir haben die Zeit genutzt, um diese jungen Leute ein wenig zu schulen. Ob im Service, in Sachen Wein oder was unsere Speisen angeht, für uns hat es immer oberste Priorität, dass unser Personal top geschult ist. So garantieren wir guten Service und schaffen auch eine Bindung zu unserem Laden. Viele unserer Studenten haben über Jahre bei uns gearbeitet oder haben nach dem Studium sogar ganz den Weg in die Gastronomie angetreten.

Magst du uns einmal beschreiben, was das Fiskebaren für dich so besonders macht?

Dazu muss man sehen, wo wir in 2009 gestartet sind. Zu der Zeit war Fisch in Dänemark überhaupt nicht trendy. Ein reines Fischrestaurant zu eröffnen, war damals ein gewisses Risiko. Obwohl wir ein Land der Küsten sind, wurde viel Fleisch gegessen. Die Menschen waren nicht mehr in der Lage oder hatten zu viel Respekt, einen Fisch zu zerlegen und daraus ein leckeres Gericht zu kochen. Unser Ansatz war, eine leichtere Küche anzubieten und das „easy eating“ zu etablieren. Niemand möchte blöd aussehen beim Essen oder stundenlang die Gräten in seinem Fisch entfernen. Das haben wir versucht zu vermeiden und hatten damit Erfolg. Hinzu kommt noch die Gegend, das sogenannte „Meatpacking District“ in Kopenhagen war damals noch ein verwaister Ort. Nachdem die Schlachthöfe das Feld geräumt haben, dachte man zunächst wenn man durch das Gewirr der vielen Gebäude spaziert ist: „Bonjour Tristesse“. Wir haben uns damals einfach getraut mit etwas Neuem an den Start zu gehen und wurden dafür belohnt.

Was macht für dich ein gutes Restaurantkonzept aus?

Für mich besteht ein rundes Restaurantkonzept aus verschiedenen Elementen. Hier teilt sich der Betrieb prozentual in verschiedene Elemente auf: die Speisen nehmen 30% ein, genauso wie die Drinks und das Personal, das Design bildet jedoch nur 10% ab. Diese Melange aus verschiedenen Elementen führt dazu, dass man eine Art Wohlfühlatmosphäre in einem Restaurant erschaffen kann. Der Spaß am Essen gehen und dass man sich dabei entspannen kann ist das Höchste, was wir unseren Gästen als Gastronomen bieten können.

11 Jahre Fiskebaren, seit Jahren habt Ihr einen Bib Michelin, euer Restaurant ist auch nach der langen Zeit immer noch ein Dauerbrenner – was denkst du, woher kommt dieser Erfolg?

Neben den äußeren Faktoren, wie die Gegend, die sich seit der Eröffnung zu einem pulsierenden Hot Spot in Kopenhagen entwickelt hat und unserem eigenen Anspruch, das Konzept immer weiter zu verbessern, spielen auch generelle Faktoren eine Rolle, die auf viele Restaurants pauschal anzuwenden sind. So stand bei uns schon immer die Qualität im Vordergrund. Die Gäste wissen ganz genau zu unterscheiden, wann diese gut ist und wann nicht.

Darüber hinaus ist Schulung unseres Personals unabdinglich. Nur gut geschultes Personal kann in eine vernünftige Interaktion mit dem Gast treten und so eine Wohlfühlatmosphäre vermitteln. Darüber hinaus versuchen wir natürlich auch immer am Zahn der Zeit zu sein. Das lässt besonders gut auf unsere Wein- und Barkarte anwenden. Hier versuchen wir den Leuten, neue und spannende Geschmackserlebnisse zu vermitteln.

Lieber Anders, danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns dieses Interview zu führen. Hast du am Ende noch etwas, was du den deutschen Gastronomen mit auf den Weg geben möchtest?

Sehr gerne. Was mir aufgefallen ist, dass die deutsche Gastronomie gerne auf Trends aufspringt und diese auch umzusetzen weiß. Allerdings habe ich noch nie ein Land gesehen, bei dem die saisonale Küche so ausgeprägt ist, wie in Deutschland. Ob zur Spargel, Pfifferling oder Grünkohl Saison – hier gibt es immer sehr viele unterschiedliche Gerichte. Ich fände es toll, wenn man mit diesen Produkten noch mutiger umgehen würde und anhand dessen einen neuen innovativen Küchenstil kreieren würde, anstatt sich auf traditionelle Gerichte zu berufen. So könnte eine echte kulinarische Innovation geschaffen werden.

Quelle: Autor Jan Zorgati – Medium: Gourmetwelten by Niko Rechenberg