Eine Preisverleihung ist immer eine Frage der Perspektive. Das Frauen einen anderen Blickpunkt wählen als Männer, ist kein Geheimnis. Das System der Sternevergabe hat seine Schwächen, dennoch hält Tokio einen kulinarischen Rekord. Keine Stadt der Welt verfügt über mehr Michelin-Sterne als die japanische Metropole.

Zeichnet der Restaurantführer in über dreißig Ländern aus, so unterteilt er in drei Kategorien:

Ein Stern bedeutet „einen (Auto-) Stopp wert“, zwei Sterne „einen Umweg wert“ und die höchste Auszeichnung – drei Sterne – sind „eine Reise wert“.

Mit insgesamt 234 prämierten Restaurants ist Tokyo ganz vorne dabei.  Auf Joël Robuchons Restaurants rund um den Globus regnete es 32 Sterne, vom französischen Gourmetführer Gault Millau wurde er als „Koch des Jahrhunderts“ ausgezeichnet. Sein Spitzenrestaurant in Tokyo befindet sich im zweiten Stock eines im französischen Stil des 18. Jahrhunderts erbauten Schlosses am Yebisu Garden Place. Robuchon feiert die französische Küche, eine der Spezialitäten ist „Le Caviar Impérial“.

 

Mit 92 Jahren ist Jiro Ono im Restaurant „Sukiyabashi“ der älteste 3-Sterne-Koch der Welt. Auch die Location ist ungewöhnlich: in einer U-Bahn-Unterführung im Stadtteil Ginza überzeugt der Sushi-Meister die Gäste von seiner Handwerkskunst. 

Zu der Liste der 56 Restaurants mit zwei Sternen haben sich fünf neue hinzugesellt. Dazu gehört auch „Sazenka“ mit seinen exklusiven zwölf Sitzplätzen und zwei Séparées. Das chinesische Restaurant befindet sich in einem historischen Gebäude, das einst als Residenz eines Botschafters fungierte. Der Küchenchef vereint die kühnen Aromen der chinesischen Kochkunst mit den delikaten Noten der japanischen nach einem Konzept, das in der Heian-Zeit entstand.

Spezialität des Hauses ist ein Gericht von Taubenschenkeln mit Honig garniert. Im „Den“ wird heimelige Atmosphäre großgeschrieben. Zaiyu Hasegawa möchte mit seiner modernen Interpretation der japanischen Küche seinen Gästen ein Lächeln auf die Gesichter zaubern. Innovative Geschmackskombinationen und ungewöhnliche Präsentation vereinen sich zu einem besonderen Erlebnis: ein Dessert aus Mascarpone und Pistazien, das optisch an moosbewachsene Steine erinnert, wird den Gästen hier auf einer grünen Gartenschaufel serviert.

23 Restaurants wurden in diesem Jahr erstmals vom Guide Michelin ausgezeichnet, sodass nun 166 Restaurants mit einem Stern Tokyos Stadtplan zieren. In einem der neu prämierten Toprestaurants, dem „Ginza Ishizaki“, stehen beispielsweise Spezialitäten vom Wagyu-Rind im Mittelpunkt: Zum Hauptgang nimmt der Küchenchef verschiedene Fleischstücke wie Lende, Chateaubriand oder Zunge und erklärt ihre verschiedenen Eigenschaften, bevor er sie nach Wunsch des Gastes zubereitet.

Die italienische Küche interpretiert Küchenchef Teruhito Negeshi im „Principio“ relativ frei und kreiert innovative Gerichte, je nach Jahreszeit auch mit Pferde- oder Ezo Hirschfleisch.

„Der Guide Michelin spiegelt die großen Fähigkeiten und Fertigkeiten wider, die in Tokyo zu finden sind. Sushi, Französisch, Italienisch, Tempura, Izakaya … die ungeheure Vielfalt zeugt von der gastronomischen Stärke Tokyos, einer Stadt, in der sogar Ramen-Restaurants Sterneküche kredenzen,“ so International Director Michael Ellis.

Die Fahrt über die breite Autobahn führt durchs Grüne, bald weicht das Grün grauem Beton, Häuser reihen sich an Häuser, Fabriken an Fabriken, in der Ferne ragen die ersten Wolkenkratzer auf. Dann geht es über riesige Betonstelzen hinein in ein unendliches Häusermeer. Der erste Eindruck von Tokio, dieser Mega-Metropole mit 38 Millionen Einwohnern, ist für manchen Ankömmling meist erstmal überwältigend. Tokio ist dennoch eher eine Ansammlung von Dörfern, meist gruppiert um jeweils einen Bahnhof und Einkaufsstraßen, wo die Menschen fast unberührt von der lauten Großstadthektik Tokios ein beschauliches Leben führen. Mit seinen elf Symphonieorchestern, unzähligen Theatern, Kinos und 200 000 Restaurants bietet Tokio alles, was eine große internationale Stadt ausmacht.  Shibuya, der Szene-Stadtteil mit der geschäftigsten Fußgängerkreuzung der Welt und großen Elektronikbildschirmen erlebt derzeit eine Modernisierungsphase wie kaum ein anderer Stadtteil in Tokio. Gewaltige hochmoderne Hochhäuser entstehen, eine Mischung aus Büroflächen, Konsum-Tempeln und Lifestyle-Hochburgen darstellen und alle miteinander verbunden sein werden. «Wenn es in Zukunft einmal schwebende Taxis geben sollte, hier dürfte man sie als erstes erleben», glaubt Zorn. Doch Shibuya ist mehr als nur das. Da ist Harajuku, das knallbunte Mode-Mekka für junge Japaner, wo Scouts aus aller Welt Ausschau nach Trends halten und direkt gegenüber die Stille des 100 Jahre alten Meiji-Schreins.

Quelle: Gourmetwelten, dpa